Euer Geld für unsere Leut‘

Zur Kommunalwahl in der Tiroler Landeshauptstadt Innsbruck im April 2012 plakatierte die – sagen wir es mal vorsichtig – rechtspopulistische FPÖ die Losung: „Heimatliebe statt Marokkanerdiebe“. Damals ging ein Aufschrei durch das Land und zum Teil auch durch Europa. Der Tiroler FPÖ-Vorsitzende Gerald Hauser setzte noch einen drauf und konterte der Kritik mit dem Satz: „Ich lade Marokko höflich ein, seine Kriminellen zurückzunehmen“. Das Königreich Marokko selbst ließ die Dinge nicht lange auf sich sitzen und wurde mit einem geharnischten Protest in Österreich vorstellig. Das Plakat musste schließlich entfernt werden. Das war, wie gesagt, 2012 und im österreichischen Tirol. „Alles fließt“, wussten aber schon die alten Griechen, „es gibt nichts, was feststeht, auf Erden“. Was vor knapp vier Jahren noch als Ungeheuerlichkeit erschien, ist heute Regierungspolitik; nicht nur in Österreich, nein, auch in Deutschland, Dänemark und anderswo. Kriminelle sind kriminell. Wer nordafrikanisch aussieht, ist aber noch krimineller, quasi genetisch kriminell, jedenfalls wenn er den Weg nach Europa gefunden hat. „Wir laden Marokko (wahlweise kann man auch Tunesien oder Algerien einsetzen) ein, seine Kriminellen zurückzunehmen“, ist mittlerweile zur Staatsdoktrin geworden. Zurücknehmen, am besten eben gleich alle, denn man weiß ja nie!
Was heute Staatsdoktrin ist, wurde offensichtlich gut vorbereitet. Wer erinnert sich noch an die NPD-Plakate mit den Losungen „Gute Heimreise“ oder „Guten Heimflug“ und „Geld für die Rückfahrkarte“? Sie lösten Proteste aus. So viele Migrantinnen und Migranten waren ja noch nicht ins Land gekommen, um einen Notstand suggerieren zu können. Heimlich stimmte man den Losungen von Rechtsaußen möglicherweise aber schon zu. Jedenfalls war man auf „bessere“ Gelegenheiten vorbereitet. Als die Zahl der Flüchtlinge, die bei uns seit diesem Sommer ankamen, die Hunderttausende überschritt und schließlich bei der Million ankam, setzte das Erinnerungsvermögen ein. Die Quelle musste man natürlich verheimlichen. Der beste Beweis für die angebliche Richtigkeit der Kriminalisierung einer ganzen Migrantengruppe waren natürlich die kriminellen Taten einzelner aus dieser Gruppe, am besten noch in Gruppen begangen. Köln schickte so manchem Rassisten der Himmel. Es ging gar nicht mehr so sehr um Strafverfolgung. Es ging um die Verdächtigung und Verfolgung ethnischer Herkunft. Einmal angefahren war die Maschine nicht mehr zu stoppen – Strafverschärfung, schnelle Abschiebung, Verteidigung eines „Gastrechtes“ statt eines Asylrechtes … Und überhaupt kommen die doch alle aus „sicheren Herkunftsländern“. Was wollen die überhaupt bei uns? Einzelfallprüfung unnötig! Die Sache fängt an, Schule zu machen. Man kann sich ja noch anderer FPÖ-Plakate erinnern: „Unser Geld für unsere Leut’“ stand da über einem braungebrannten Griechen (die Flagge zeigt es unmissverständlich) in der Hängematte. Der Grieche ist austauschbar. Auf das Geld kommt es an. Austauschbar ist auch das besitzanzeigende Pronomen „unser“ vor Geld. „Euer Geld für unsere Leut’“ tönt es jetzt den Hilfesuchenden an der Grenze entgegen, dann wird ihnen abgenommen, was Wert hat. „Wir sind nicht das Sozialamt der Welt“, meinen NPD und AfD und Herr Seehofer unisono schon länger. Für die Variation der FPÖ-Forderung aber gilt jetzt allgemein, was am 29.07.2015 in der Wiener „Presse“ noch allein für die FPÖ gültig zu lesen war: „Wir nehmen uns, was wir bekommen. Und was wir uns einmal genommen haben, geben wir, wem wir wollen“. Statt Ankömmlingen schnellstens Arbeit zu verschaffen, damit sie für ihren Lebensunterhalt aufkommen können, nimmt man ihnen, was sie haben, als wären sie Schmuggler und Diebe – eben Kriminelle. Die Staatskasse füllt das alles nicht wirklich, aber der gewünschte Effekt tritt ein: Diese Menschen können sich mangels eigener Ressourcen nicht mehr eigenständig und selbstbestimmt ernähren und bewegen. Sie werden von unseren Almosen abhängig. Man kann mit ihnen nach Belieben umspringen. In der Not werden manche „erfinderisch“ – Geld für den „guten Heimflug“ wird dann zum letzten Einschnitt in die Gleichheit aller vor dem Gesetz.

(Geschrieben für Links, Februar 2016, 24.01.2016)

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