„Der Worte sind genug gewechselt …“

„… lasst mich auch endlich Taten sehen.“ So beendet der Schauspieldirektor im „Vorspiel auf dem Theater“ den Streit mit dem Dichter. „Was heute nicht geschieht, ist morgen nicht getan, und keinen Tag soll man verpassen … Das Mögliche soll der Entschluss beherzt sogleich beim Schopfe fassen.“ Das bringt bei Goethe Faust auf die Bühne. Der fordert die Welt heraus, indem er sich mit dem Teufel verbündet und seine Seele doch rettet, in der Gewissheit, einst „mit freiem Volk auf freiem Grund zu stehen.“
Vielleicht ist der Vergleich mit Faust zu hoch gegriffen, aber die Gedanken kamen mir dieser Tage. Bodo Ramelow! Mit wem lässt er sich ein, was will er erreichen und kann es klappen? Es geht eigentlich nur um ein Wort. Leserinnen und Leser, Genossinnen und Genossen mögen dem Germanisten verzeihen, wieder fällt mir Faust ein: „Im Anfang war das W o r t ! Hier stock ich schon! Wer hilft mir weiter fort? Ich kann das W o r t so hoch unmöglich schätzen … Im Anfang war der S i n n … Ist es der S i n n, der alles wirkt und schafft? Es sollte stehn: Im Anfang war die K r a f t ! Doch auch indem ich dieses niederschreibe, Schon warnt mich was, dass ich dabei nicht bleibe. … Auf einmal seh ich Rat. … Im Anfang war die T a t .“ Das Wort ist heute „Unrechtsstaat“. Der Sinn ist umstritten. Das nimmt die Kraft und hemmt die Tat.
Es liegt am Wort! Was hat es damit für eine Bewandtnis? Was benennt es? Offensichtlich die Situation in der DDR als Ganzes. Dafür ist es aber ziemlich jung. In keinem der renommierten Deutschen Wörterbücher findet man es; auch nicht in den neuesten Auflagen. Einzig das „DUDEN – Deutsches Universalwörterbuch“ verzeichnet das Wort zumindest seit der 4. Auflage 2001 und in allen danach. Dort wird es platziert als Gegenwort zu „Rechtsstaat“ und definiert als „Staat, in dem sich die Machthaber willkürlich über das Recht hinwegsetzen, in dem die Bürger staatlichen Übergriffen schutzlos preisgegeben sind.“ Solches soll für die DDR gelten. Dann allerdings erfasst das Wort „Unrechtsregime“ sehr viel besser die Verhältnisse. Seine Bedeutung wird im gleichen Wörterbuch mit „Regime, das sich willkürlich über das Recht hinwegsetzt, unter dem die Bürger staatlichen Übergriffen schutzlos preisgegeben sind“, festgelegt. Nun gut, kann man sagen, das eine war das Regime und das andere der Staat, in dem das Regime bis in seine letzten Verästelungen herrschte. Für die von Unrecht Betroffenen war dies einerlei. Ganz so einfach sollte man es sich aber nicht machen, denn der Staat DDR hatte ein Rechtssystem. Dieses unterschied sich von dem der Bundesrepublik, war jedoch vorhanden und anwendbar. Spitzfindigkeit, Wortklauberei und Haarspalterei möchte ich jetzt nicht weiter betreiben. Das Land hatte nämlich auch viele Menschen, die sich ehrlich um sein Wohlergehen, seine Entwicklung und seine Erst- und Einmaligkeit als Sozialismusversuch engagierten. Die trifft das Wort „Unrechtsregime“ in ihrer Ehre nicht. Bei „Unrechtsstaat“ scheint das offensichtlich anders zu sein. Vielleicht ist es Absicht einiger, denen man nicht zu viel Bedeutung beimessen sollte. Vielleicht ist es aber auch nur Ungenauigkeit. Sei‘s drum! Es ist passiert. Ich gebe daher die Situation zu bedenken, in der das Wort verwendet wird. Es mussten ich und mit mir viele andere auch schon weit Schlimmeres an übler Nachrede ertragen als dieses Doofwort. Meinen Stolz und mein Wissen um meine Biographie konnte mir damit niemand nehmen. Jetzt geht es aber um etwas anderes: Wenn dieses Wort in der Präambel eines Koalitionsvertrages sichert, dass auch nur ein Lebensweg künftig lebenswerter wird, dann sollten wir es ertragen. Es geht nicht um unseren Stolz, sondern um die künftige Lebensqualität von sehr, sehr vielen Menschen. Ich komme deshalb zurück zu Faust. „…rase draußen Flut bis auf zum Rand … Gemeindrang eilt, die Lücke zu verschließen. Ja, diesem Sinne bin ich ganz ergeben.“ Man kann auch sagen: Der Partei DIE LINKE in Thüringen hat man ihr Wort geglaubt und ihr die Kraft gegeben zur Tat, die Zukunft zu gestalten. Da ist Solidarität gefragt. Es geht um die Karawane und nicht um jedes Gebell, das sie begleitet. Darin liegt der Sinn!

(geschrieben für LINKS Oktober 2014, 04.10.2014)

Ein Gedanke zu „„Der Worte sind genug gewechselt …“

  1. Rainer Fränkle

    lieber Peter porsch,
    da kannst du noch so viele zitate berühmter deutscher dichter heranziehen, aber es bleibt die Tat, und die Tat in thüringen(Ramelow syndrom)ist und bleibt eine Untat. es geht nicht nach dem Prinzip, der zweck heiligt die mittel, bin wessi und weiß von was ich rede. der Kaptalismus als ausbeutungssystem ist das Unrecht unserer tage, jeden tag mehr, kriege, Zerstörun,g Hunger Armut, sein immanente Krisenhaftigkeit, wer wollte das bestreiten, die DDR hatte eine Verfassung mit Rechten von denen der Wessi nur träumen konnte. das Recht auf Arbeit,Wohnen,Bildung und Ausbildung,kostenlose Gesundheitsversorgung,etc.,etc. gewiss es gab auch unrecht in der DDR, aber daraus entsteht noch lange kein unrechtsstaat, dann wäre die BRD ein Unrechtstaat gewesen, denn sie garantiert nicht einmal die Rechte aus dem Grundgesetz, und das gilt heute auch im Osten.das Ramelow Syndrom ist was ganz anders, es geht offenkundig darum die Linke für die SPD kompatibel zu machen. die Vorstellung die SPD werde sich der Linken nähern ist eine Illusion. es hat auch nix geholfen, die Demütigung der Linken geht weiter, die rechten Merkels werden keine Ruhe geben, bis die Linke verschwunden oder im Sog des üblichen untergegangen ist. und das wäre schlimmer als alles andere. doch ein zitat: „da steh ich nun, ich armer Tor und bin so klug als wie zuvor.“(Goethe – Faust)

    RainerFränkle
    jetzt Röbel an der Müritz
    Mecklenburg-Vorpommern
    016094957024
    parteilos
    Verdi

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