Spiel mir das Lied vom Tod!

Lassen wir einmal den allseits bekannten Film weg. Da geht es um Geld und späte Rache im Wilden Westen. Das soll nicht unsere Welt sein. Fragen wir aber, welches Lied das sein kann, das Lied vom Tod, kommen wir zu sehr verschiedenen Antworten. Es ist nicht immer ein trauriges Lied vom Abschied ohne Wiederkehr. Es ist nicht selten ein tröstliches Lied vom ewigen Leben. Dafür muss man freilich glauben. Es ist aber auch ein Lied, das Menschen erst in den Tod treibt. In allen Armeen dieser Welt werden solche Lieder gesungen und nicht nur dort. „Die Trommel ruft zum Kampfe“. Der Takt der Marschmusik treibt Soldaten voran ins Feld und in den Tod, den vorgeblichen Heldentod. „Soldatengrab ein Ehrengrab, kein bess‘res in der Welt“, ist dann der Abgesang, „Ich hatt‘ einen Kameraden“, wird zur letzten wehmütigen Feststellung.
Genug davon! Das fiel mir alles nur ein, weil es aktuell zwei Diskussionen gibt, die aus sehr unterschiedlichen Gründen mit dem Tod zu tun haben und die auf sehr verschiedene Weise mit dem Tod umgehen. In der einen Auseinandersetzung geht es um die so genannte „Sterbehilfe“. Es scheiden sich die Geister an der Frage, ob man einem todkranken Menschen die Schmerzen der letzten Tage und Stunden verkürzen darf, wenn er oder sie es wünscht oder so verfügt hat. Die Würde des Menschen ist unantastbar. Gilt das auch für jene, deren Würde in den letzten Zügen durch völlige Hilflosigkeit und verlorene Kontrolle über alles Körperliche und Geistige verloren gegangen sein könnte? Ist dann der Tod nicht die Wiederherstellung der Menschenwürde? Ich will nicht behaupten, über gültige Antworten zu verfügen. Auch die Debatte will ich hier nicht weitertreiben. Gerade in Deutschland ist die Entscheidung immer wieder vom Wort „Euthanasie“ begleitet. Nicht ohne Grund: Der Tod war einst ein Meister aus Deutschland. Man darf es nicht vergessen! Suspekt sind mir freilich jene, die sich selbst zum befugten Bewahrer des Lebens im schmerzhaften und vielleicht würdelosen Tod erklären. Gehört der Tod zum Leben und wollen wir ein selbstbestimmtes Leben, sollte der selbstbestimmte Tod ein Teil davon sein.
Mit „selbstbestimmt“ bin ich jedoch bei der anderen Debatte gelandet. Unlängst meldete AFP: „Streit um Waffenexporte. Rüstungsindustrie droht Bundesregierung mit Abwanderung“. Was ist passiert? Wirtschaftsminister Gabriel von der SPD möchte doch tatsächlich Rüstungsexporte einschränken; nicht sehr, aber doch; nicht nach überall hin, aber vor allem nach Russland. Man hört also die Nachtigall trapsen. Russland ist jedoch ein guter Kunde, und es liegt ein ganzes Gefechtsübungszentrum im Wert von 135 Millionen Euro fertig verpackt auf 70 LKW zum Abtransport nach Russland bereit. Jetzt spielt die deutsche Rüstungsindustrie das weinerliche Lied vom Tod – vom Tod des Profits. In Wirklichkeit ist es ein dissonantes Lied von der verhinderten „Sterbehilfe“ im Namen des Geschäfts, von verhinderter Hilfe zu einem überhaupt nicht selbstbestimmten Tod. Frankreich, die USA oder die Schweiz würden doch schon warten, dass dort die Investitionen für Rüstung landen. Von dort könnte man auch die tödlichen High-Tech-Produkte leichter exportieren; wohin man will und wo sie Freund und Feind gleichermaßen brauchen. Der einheimische Arbeitsplatz in der Rüstungsindustrie steht allemal noch vor möglichen Skrupel, todbringende Rüstungsgüter zu verkaufen. Sei ein Soldatengrab auch hundert Mal ein Ehrengrab, so gehört es auch zur Ehre der deutschen Industrie jedem Kunden jede gewünschte Waffe zu liefern. An solcher „Ehre“ hatten Krieger aller Länder teil. Sie schickten sich gegenseitig mit deutschen Waffen ins Ehrengrab. Den Soldaten oder anderen Kollateraltoten wird es allerdings egal gewesen sein, woher die Geschosse stammten, die ihm oder ihr den Garaus machten. Da lohnt es vielleicht die Aufregung gar nicht? Und überhaupt! Wer spricht denn von Waffenexport und vom Lied vom Tod? Herr Pappberger, der die Drohungen ausspricht, ist Präsident des „Bundesverbands der Deutschen Sicherheits- und Verteidigungsindustrie“. Das lässt die Sache in ganz anderem Licht erscheinen und hat mit fremdbestimmter Sterbehilfe nichts zu tun.

(geschrieben für Links Oktober 2014, 21.09.14)

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