Vom Hundekot und Vogelschiss

Unlängst habe ich eine bedenkenswerte Geschichte gelesen: Eine Frau ging mit ihrem Hund spazieren. Das Tier nutzte erwartungsgemäß die Gelegenheit und kotete (so nennt man das, wenn es darauf ankommt, was hinten herauskommt). Das war nicht weiter aufregend. Brav packte die Dame das Endprodukt in eine bereitgehaltene Plastiktüte und suchte einen Abfallkorb zur Entsorgung. Leider fand sie keinen, gab nach einiger Zeit die Suche auf und warf die Tüte resignierend in ein Gebüsch. Der Kommentar des Erzählers: So hatte sie etwas, das in ein bis zwei Wochen verrottet gewesen wäre, durch die und mit der Verpackung für etwa 200 Jahre konserviert. Freilich muss man dennoch einräumen, sie hat auch die Menschen vor dem unästhetischen Anblick eines Hundekots, vor der Gefahr, in diesen hineinzutreten und zumindest die Schuhe zu versauen und damit den Kot weiterzuverbreiten, gerettet. Eine gute Tat, wenn auch eine ökologische Katastrophe.
Man könnte es mit diesen Gedanken bewenden lassen. Aber ich dachte weiter, beziehungsweisse ergriffen mich Assozialtionen. Der Hundekot rief den Gedanken des in der Natur ebenso häufig vorkommenden Vogelschisses hervor, womit das Auftauchen des so fatal sprechenden Namens GAULAND ja wirklich nicht mehr weit sein konnte. Dieser Mann, der schon mit seinem Namen beredte Propaganda für ein anderes Deutschland macht, wollte sein Faible für das andere, das ein altes, kaum vergangenes Deutschland wäre, verharmlosen, indem er meinte, die Zeit Adolf Hitlers und seines Nationalsozialismus wäre im Laufe der tausendjährigen so erfolgreichen deutschen Geschichte nur ein Vogelschiss.
Nun hat jeder Vergleich ein „tertium comparationis“, etwas Drittes, das im Vergleich das mögliche Gemeinsame darstellt. Gauland will uns weismachen, dass dies offensichtlich die geringe Bedeutung dieser Zeit für die deutsche Geschichte insgesamt sei. Und genau dabei hat er sich mächtig verhauen. Würde man mit Hundekot vergleichen, hätte die gemeinte Zeit tatsächlich wenig Belang für das Ganze. Der Vogelschiss verbietet aber eine solche Annahme vollständig. Wie wir bereits wissen, verrottet der Verdauungsrest vom Hund in ein bis zwei Wochen, außer man rettet ihn durch Verpackung. Beim Vogelschiss ist das völlig anders und das bringt auch ein völlig anderes tertium comparationis. In jeder Autozeitschrift ist zum Beispiel zu lesen, dass Vogelschiss auf dem Autolack sehr schnell Schäden hervorrufen kann, man ihn also unvermittelt beseitigen müsse, will man Schäden vermeiden. Auf die Kleidung gekleckst, ist es ebenso geraten, diese Ausscheidungen der gefiederten Welt nicht allzu lange an ihrem Landeplatz verweilen zu lassen. Es träten Zersetzungsprozesse ein, die Flecken oder sogar Löcher in der Kleidung hervorrufen könnten. Andererseits ist der Vogelschiss von solcher Beschaffenheit, dass sicher niemand auf die Idee käme, ihn zu verpacken und auf diese Weise zu entsorgen. Und nun zum Vergleich des Herrn Gauland. Mag sein der Nationalsozialismus war eine Epoche deutscher Geschichte mit der Bedeutung eines Vogelschisses. Es klingt plausibel, denn er kam, kaum vorhanden, zur Wirkung. Es begann Zersetzung, Zersetzung der Gesellschaft in Rassen, Zersetzung der Gesellschaft in Herrenmenschen und minderwertiges Leben, Zersetzung der Gesellschaft in Führer und zu Führende. Der Vogelschiss nagte an der Gesellschaft, ja erklärte ihr selbst den Kriegt durch Krieg, in dem er Millionen Deutscher vernichtete und noch mehr Millionen anderer Völker. Der Vogelschiss scheint, wie Vogelschiss eben, manchmal schon verschwunden zu sein. An seinen Wirkungen ist er jedoch erkennbar – mit fatalen Folgen.
Herr Gauland hat mit seiner Vergleichssuche für Adolf Hitler und die Zeit seines Nationalsozialismus kräftig in den Hundekot oder vergleichbare Exkremente gegriffen. Der „Vogelschiss“ hat tatsächlich gearbeitet, die Gesellschaft zersetzt, noch immer nicht getilgte Spuren hinterlassen. Zu viele noch meinen, auf diesen Spuren fänden sich die Wege in die deutsche Zukunft. Zu viele sondern immer noch Vogelschiss ab. „Menschen seid wachsam!“ (Julius Fucik, ermordet in Berlin Plötzensee am 8. September vor 76 Jahren; er hatte uns lieb.)

(Geschrieben fü Links, September 2019, 25.08.2019)

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