Weil sein muss,was nicht sein darf.

Literarisch Gebildete mögen erkannt haben, dass ich mich mit diesem Titel an Christian Morgenstern anlehne. Das ist nicht falsch. Die meisten kennen wohl sein Gedicht „Die unmögliche Tatsache“. Morgenstern berichtet vom Missgeschick seines
Helden Palmström, der von einem „Kraftfahrwagen“ überfahren wurde. Nachdem er nach der Ursache grübelt, kommt er zur Erkenntnis, dass 1. der „Kraftfahrwagen“ an dieser Stelle gar nicht fahren hätte dürfen, und deshalb 2. der Unfall nur ein Traum sein konnte: „weil nicht sein kann, was nicht sein darf.“ Nun werden Genies immer wieder geboren. Sachsen darf sich eines solchen rühmen. Es handelt sich um den AfD-Abgeordneten zum Sächsischen Landtag, Carsten Hütter. Eine wahre Leuchte seiner Zunft. Wie es sich für alternative und deshalb aufsässige Abgeordnete gehört, stellt er so genannte „Kleine Anfragen“ an die Staatsregierung, vornehmlich zu dem Zweck, um sie in Verlegenheit zu bringen. So weit so gut. Nur mit der Verlegenheit ist es so eine Sache, wie wir gleich feststellen werden. Alternativus Hütter hatte einen Verdacht oder sogar eine Information: Eine Vergewaltigung sollte stattgefunden haben, vielleicht auch nur der Versuch, aber immerhin. Dem Zeitgeist folgend konnte der Täter aller Wahrscheinlichkeit nach nur ein Ausländer gewesen sein. Das war für den für die deutsche Leitkultur bestellten Hüter Hütter schon klar. Er wusste jedoch auch, dass solches der Wahrung eines positiven Bildes von Multikulti wegen, gerne verheimlicht würde. Sicher, so vermutete er weiter, würde sich die CDU-geführte sächsische Staatsregierung an diesen Schutz von Fremdem und Fremden halten. Sie ist ja landauf, landab für ihre ausländerfreundliche, antipatriotische Haltung bekannt. Also fragte Herr Hütter süffisant: ob es im Mai 2016 im Maxim-Gorki Park eine Vergewaltigung gab, ob diese im Zusammenhang mit einem Asylbewerber stand oder ob durch das Opfer in der Täterbeschreibung ein Hinweis auf einen Asylbewerber gegeben wurde? Gefragt hat er überdies, ob der Fall an die Presse kommuniziert wurde? Hier sei mir der Hinweis auf das vorbildlich-alternative Deutsch gestattet. Vertreter von „Systemparteien“ würden wahrscheinlich anders fragen. Zum Beispiel, ob die Sache an die Presse „gemeldet“ oder „weitergegeben“ wurde. MdL Hütter insistierte aber noch weiter: „Gab es Versuche seitens der Behörden oder Dritter, das Opfer zum Schweigen zu bringen?“ Und: „Welchen Stand haben die Ermittlungen?“ Meine werten Leserinnen und Leser muss ich nun, bevor ich den eigentlichen Fortgang behandle, um Entschuldigung für das von mir gewählte Wort „insistieren“ bitten. Es gefällt mir einfach, weil laut DUDEN „bildungssprachlich“. Und mit der Bildung will man ja der „Alternative“ für Deutsch und ihrem „Kommunizieren“ nicht hintanstehen. Für die einfacheren Gemüter aber: Herr Hütter blieb beharrlich, und die Staatsregierung war um eine Antwort nicht verlegen. Oder doch? Sie wusste nämlich von nichts; nichts von einer Vergewaltigung, auch nichts von einer solchen durch einen Asylbewerber. Deshalb wusste sie natürlich auch nichts von Ermittlungen und konnte nun auch der Logik der Dinge folgend nichts zu einem möglichen Versuch, das Opfer zum Schweigen zu bringen, sagen. Das alles übermittelte („kommunizierte“) sie brav dem Hütter. Ihre leitkulturelle Beflissenheit, doch Licht in das Dunkel zu bringen, betonend, meldete der Innenminister außerdem, dass zwar flugs Nachforschungen eingeleitet worden waren, leider aber auch keine einschlägigen Erkenntnisse gebracht hätten. Welche Schande! Aufmerksame Rezipientinnen und Rezipienten (auch „Leserinnen und Leser“, aber weniger gebildet) der regierungsseitigen (endlich gebildetes Deutsch) Antwort haben aber den wahren Grund für den Misserfolg der Untersuchungsbehörden in der allerersten Frage des Herrn Hütter erkannt. Herr Hütter frug (altes Deutsch) nämlich nach einer Vergewaltigung im Maxim-Gorki-Park. Jetzt waren alle zur Antwort Verpflichteten ratlos. In ganz Sachsen gibt es keinen Maxim-Gorki-Park. Daran trifft Herrn Hütter jedoch keine Schuld, weil für seine alternativen Zwecke wohl sein muss, was nicht sein darf. Ich meine freilich, dass es einen solchen Park in Sachsen tatsächlich nicht gibt, nicht geben darf, ist der eigentliche Skandal.

(geschrieben für „Links“, November 2016, 12.10.2016

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